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Nordkoreas Juche-Ideologie

Juche-Turm

Bei der Juche-Ideologie handelt es sich um eine politische Staatsideologie Nordkoreas. Das Wort Juche, oder auch „Chuch’e“ bedeutet im Koreanischen so viel wie Autarkie oder Selbstständigkeit. Die theoretische Entwicklung dieser Ideologie wurde maß­geb­lich vom ehemaligen Präsidenten Kim Il-sung vorangetrieben und umgesetzt. Kim Il-sung selbst sah die Juche-Ideologie als eine, den Umständen angepasste Wei­ter­ent­wick­lung des Marxismus-Leninismus. Es steckte dahinter jedoch keine Absicht eine län­der­übergreifende Ideologie zu schaffen, wie der Marxismus-Leninismus beispielsweise eine ist, sondern sich eher spezifisch auf den Staat Nordkorea, so wie die welt­po­li­tisch­en Umstände die es umgeben, zu beschränken. Laienhaft ausgedrückt könnte man die Juche-Ideologie als nordkoreanisches Modell des Kommunismus betrachten, welches Nordkorea in den Mittelpunkt des weltpolitischen Handelns und des politischen Den­kens im Allgemeinen stellt. Dies führt in der Praxis von daher auch oft zu nationa­lis­tisch­en Tendenzen innerhalb der nordkoreanischen Politik, die auch eine Hervorhebung und Wahrung der alten koreanischen Kultur prägen, statt diese in einer neuen Ideologie zu überwinden, so wie es im Kommunismus vorgesehen ist. Dies ist nur einer der Punk­te, der die Juche-Ideologie von den Vorstellungen des Marxismus-Leninismus trennt und zu einer ganz eigenen, nordkoreanischen Ideologie werden lässt. Wenngleich sich das Prinzip natürlich auf jede andere Nation übertragen ließe, da die ideologischen Vor­stel­lun­gen an sich nicht unbedingt nur auf Nordkorea anwendbar sind, sondern im Grunde von jedem Land adaptiert werden könnten, das sich dazu entschließt nach den Prinzipien der Juche-Ideologie zu leben.

Juche-Ideologie kontra Weltrevolution

Zunächst einmal verabschiedet sich die Juche-Ideologie von den Vorstellungen des Marxismus-Leninismus, welcher der weltweiten kom­mu­nis­tischen Revolution die größte Priorität zugesteht. An vorderster Stelle treten stattdessen die nationalen Interessen Nordkoreas und werden im Zweifelsfall auch als wichtiger erachtet. Diese ideologische Abweichung vom Marxismus-Leninismus hat zumindest aus einem rein theoretischen Blickwinkel gravierende Folgen, sodass die Juche-Ideologie unter bestimmten Voraussetzungen auch im Widerspruch zum Marxismus-Leninismus steht, obwohl sie sich selbst als Weiterentwicklung dessen betrachtet. Laut W. I. Lenin, einem der führenden Theoretikern des Marxismus-Leninismus, können die Ziele des Kommunismus nur auf internationaler Ebene erreicht werden, was eine kom­mu­nistische Weltrevolution nicht nur unausweichlich macht, sondern diese auch zum alternativlosen Weg zum Kommunismus erklärt. Den Vorstellungen Lenins und anderer kommunistischer Ideologen nach, hatte die kommunistische Weltrevolution von daher oberste Pri­o­ri­tät und sollte mit allen erdenklichen Mitteln erzwungen werden, auch wenn diese das Opfern einzelner Länder bedarf. Die Juche-Ideologie dagegen dreht den Spieß um und erklärt das genaue Gegenteil zu seinem höchsten Ziel. Auch wenn die Juche-Ideologie sich nicht konkret gegen die kommunistische Weltrevolution stellt, gesteht sie ihr doch eine wesentlich geringere Rolle zu als der Marxismus-Leninismus. Parallelen zur Juche-Ideologie finden sich innerhalb kommunistischer Ideologien vor allem im Stalinismus wieder, weshalb Anhänger bei­der Ideologien sich ideologisch oft nahestehen und die Ziele des jeweils anderen verteidigen beziehungsweise vertreten können.

Bedeutung

Die Kernaussage der Juche-Ideologie ist, zumindest im theoretischen Sinne, wie der koreanische Name schon sagt, Souveränität. Die Er­reich­ung beziehungsweise Aufrechterhaltung der Souveränität bezieht sich dabei sowohl auf die Politik, das Militär als auch die Ökonomie des Landes. Im wirtschaftlichen Zusammenhang geht es bei dieser Unabhängigkeit vor allem um die Gewährleistung und Instandhaltung einer Selbstversorgung des Staates.
Diese Souveränität muss laut Juche-Ideologie vor allem durch den Staat angetrieben und dem Volk gegenüber gewährleistet werden. Der Staat ist also dazu verpflichtet, oder hat zumindest die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass das Land sowohl wirtschaftlich, als auch politisch und militärisch völlig unabhängig bleibt. Dies hat automatisch die vollständige Isolation vom Rest der Welt zur Folge, die es dem Land kaum möglich macht eine gleichberechtigte Rolle innerhalb der internationalen Staatengemeinschaft einzunehmen. Was für Nordkorea vor allem bedeutet, dass es bei wirtschaftlichen oder gar militärischen Problemen, ganz auf sich alleine gestellt ist und mit kaum bis gar kei­ner Hilfe rechnen kann. Weltpolitisch führte diese ideologische Vorgehensweise zu einer kompletten Ausgrenzung Nordkoreas aus dem politischen Weltgeschehen, brachte dem Land aber wiederum auch eine Unabhängigkeit vom selbigen. Ob ein Land, ganz alleine und nur auf sich gestellt in einer Zeit der immer mehr anwachsenden Globalisierung überleben kann, beantworten die Leitsätze der Juche-Ideo­lo­gie mit einem klaren „Ja“ und sehen die Isolationspolitik sogar als notwendiges Mittel zu wahrer Unabhängigkeit und damit Freiheit an. Einer der Gründe für den Bruch mit den klassischen Vorstellungen des Marxismus-Leninismus ist der Versuch, den Kommunismus quasi auf Umwegen, nämlich auf nationaler Ebene, einzuführen und die Fortschritte in Richtung Kommunismus von der internationalen Lage un­abh­ängig zu machen. Entgegen den Vorstellungen von Lenin und Marx, die den Kommunismus nur auf weltweiter Ebene überhaupt um­setz­bar sahen, zielt die Juche-Ideologie auf eine schrittweise Erreichung des Ziels auf nationaler Ebene ab.

Dennoch sind die Abweichungen vom Marxismus-Leninismus keineswegs auch eine Abkehr von den kommunistischen Grundprinzipien selbst. Die Juche-Ideologie betrachtet sich im Gegenteil sogar als notwendige und realistische Weiterentwicklung des marxistisch-le­ni­nis­tisch­en Modells und sieht in sich einen zeitgemäßen Nachfolger des reinen Marxismus. Die Erreichung eines Kommunismus steht also weiterhin im Programm der Juche-Ideologie, auch wenn für dieses Ziel ein anderer Weg eingeschlagen wird.
Diese Herangehensweise gestattete es Nordkorea Zeit seines Bestehens, auch eine Souveränität gegenüber anderen kommunistischen Ländern, wie beispielsweise der Sowjetunion oder der Volksrepublik China, aufrechtzuerhalten. Was Nordkorea vor allem ermöglichte, ne­ben dem kapitalistischen Ausland, auch an diesen Ländern Kritik zu üben und sich von ihren weltpolitischen Handlungen zu distanzieren und einen eigenen Weg zum Wohle des eigenen Volkes zu gehen. Ob dies dem nordkoreanischen Volk mehr Nutzen als Schaden ge­bracht hat, ist eine andere Frage. Denn eine weltpolitische Isolation kann gerade in Zeiten der Globalisierung auch erhebliche Nachteile mit sich bringen. Die Souveränität gegenüber dem Rest der Welt konnte dank der Juche-Ideologie jedoch wahrhaftig erreicht werden und wird von der nordkoreanischen Politik auch heute noch aufrecht gehalten. So blieben Nordkorea nicht nur die Vorteile der Globalisierung vergönnt, sondern auch die Nachteile erspart. Ob Nordkorea mit einer weltoffeneren Politik als der der Juche-Ideologie letztlich zu den Gewinnern der Globalisierung gehört hätte, lässt sich ebenfalls stark bezweifeln.

Geschichtliche Hintergründe und Entstehung

Als Schöpfer und maßgeblicher Gestalter der Juche-Ideologie gilt Kim Il-sung. Kim Il-sung zählt nicht nur zu den führenden kom­mu­nis­ti­schen Ideologen Nordkoreas, sondern ist auch der bedeutendste Führer innerhalb der kommunistischen Bewegung Koreas so wie der Demokratischen Volksrepublik Korea seit ihrer Staatsgründung Ende der 1940er Jahre an sich. Der 1994 verstorbene Präsident war seit der Gründung des Staates Nordkorea im Jahre 1947 bis zu seinem Tode der amtierende Regierungschef des Landes. Nach seinem Tod wurde sein Sohn Kim Jong-il und nach dessen Tod im Jahre 2011, dessen Sohn, Kim Jong-un, zum amtierenden Regierungschef ernannt.
Kim Il-sung kämpfte sich während des Befreiungskrieges gegen die japanischen Besatzer an die Spitze der kommunistischen Re­vo­lu­ti­o­nä­re in Korea und trat in Folge der Teilung Koreas nach dem 2. Weltkrieg in einen kommunistischen und einen kapitalistischen Staat, als ers­ter amtierender Präsident des Nordens an. Durch die geschichtliche Entwicklung, zu der nicht nur der Befreiungskrieg gegen Japan, son­dern auch der 2. Weltkrieg im Allgemeinen stark beigetragen hatte und Japan in die Knie zwang, wurde Korea zunächst in zwei Be­sat­zungs­zo­nen aufgeteilt. Der Süden unterlag dabei dem Einfluss der Vereinigten Staaten und der Norden der Sowjetunion. Ähnlich wie in Deutsch­land oder Vietnam, wurde die Spaltung als Spielball des aufkommenden Kalten Krieges zwischen den USA und der UdSSR aus­ge­nutzt. Und ähnlich wie in Deutschland führte der beginnende Kalte Krieg zur Trennung der koreanischen Insel in zwei separate Staaten, von denen eines den kapitalistischen Weltanschauungen der USA und eines den kommunistischen Ideologien der Sowjetunion unterlag. Obwohl Kim Il-sung sich selbst auch als glühenden Revolutionär und Kommunisten ansah, war er mit der Fremdbestimmung des „großen Bruders“ Sowjetunion überhaupt nicht einverstanden. Schließlich drehte sich der revolutionäre Kampf der koreanischen Kommunisten nicht zuletzt auch um die Errichtung eines von Japanern und anderen Mächten unabhängigen Staates.

Absolute Souveränität von jeglicher Fremdbestimmung war für Kim Il-sung auch eines der Hauptgründe für die Begründung der Juche-Ideo­logie. Nach den klassischen Vorstellungen des marxistisch-leninistischem Vorbilds, wäre eine Kritik an der Sowjetunion, die nun zum Teil auch mitbestimmen wollte, kaum möglich gewesen. Das Motto war es, so wie in allen anderen kommunistisch geprägten Ländern im Kalten Krieg, die nationalen Bedürfnisse zurückzuschrauben und sich gegebenenfalls auch für das „Große und Ganze“ zu opfern. Kim Il-sung erkannte, dass dies Nordkorea zu einem Außenposten der UdSSR degradierte und lediglich als Austragungsort für den Kalten Krieg dienen sollte. Er sah, dass Nordkorea auf diesem Wege von der ersehnten Freiheit und Unabhängigkeit genau so weit entfernt war, wie zu Zeiten des Befreiungskrieges gegen Japan, auch wenn die Umstände mit dem sowjetischen Bündnispartner nun milder waren und zum ersten Mal auch so etwas wie Selbstbestimmung möglich wurde. Die Möglichkeiten, die Zukunft des Landes selbst zu gestalten wa­ren jedoch dennoch stark beeinträchtigt und nur in dem Rahmen möglich, nicht vom sowjetischen Modell abzuweichen.

Doch Kim Il-sung wollte mehr, als nur Befehle aus Moskau zu empfangen und den Stadthalter eines nordkoreanischen Außenpostens zu spielen. Er wandte sich, zumindest auf ideologischer Linie, vollständig von den kommunistischen Freunden China und Russland ab und entschied sich für einen politischen Alleingang des Staates. Weshalb die drei Hauptkriterien der Juche-Ideologien alle vor allem auf Sou­ve­rä­ni­tät basieren. Auf wirtschaftlicher, militärischer und politischer Unabhängigkeit von jeglicher Fremdbestimmung oder Einfluss­nahme. Um den Weg in diese absolute Unabhängigkeit zu erreichen, schreckte Kim Il-sung auch nicht vor einer ideologischen Neuorientierung zu­rück, auch wenn diese bei den mächtigen Verbündeten China und Russland nicht unbedingt auf Verständnis stieß. Dennoch betonte Kim Il-sung, dass es sich bei der Juche-Ideologie nicht um eine Abwendung vom Kommunismus handle, sondern um ein ideologisch not­wen­dig­es Mittel, welches er für die Situation Nordkoreas als unabdingbar ansah. Seinen eigenen Aussagen und Begründungen nach, waren die Überzeugungen und Schlussfolgerungen in Form der Juche-Ideologie nicht von der besonderen Situation in Nordkorea abhängig, son­dern resultierten auch aus Lehren, die er aus dem Kampf der kommunistischen Bewegungen in anderen Ländern gezogen hatte. Weshalb vonseiten der Verfechter der Juche-Ideologie auch immer von einer Weiterentwicklung des Marxismus-Leninismus die Rede ist und nicht etwa einer Art Ersatzideologie.

Obwohl die Sowjetunion als großer Bruder, der das Sagen hatte, für Kim Il-sung nicht infrage kam, hegte er doch trotzdem große Be­wun­de­rung für ihre Errungenschaften. Allem voran die Sowjetunion der 1920er bis 1950er Jahre unter Führung Josef Stalins. Und bei näherer Be­trachtung der Persönlichkeiten als auch der von den Personen geprägten Ideologien, das heißt der Juche-Ideologie und dem Stalinismus, sind deutliche Parallelen zu erkennen. Auch Stalin wandte sich im Laufe seiner Amtsjahre immer mehr von den klassischen Vorstellungen Lenins ab, eine Weltrevolution mit allen Mitteln zu erzwingen und die nationalen Bedürfnisse dafür zu opfern. Weshalb sowohl Stalin als auch Kim Il-sung ebenso gut auch als Nationalisten betrachtet werden können, wenngleich diese Art des Nationalismus mit dem des Deutschen Reiches oder Japans nicht unbedingt gleichzusetzen ist. Jedenfalls hatten für beide Herrscher die eigenen, also nationalen Interessen deutlichen Vorrang gegenüber der kommunistischen Verantwortung auf weltweiter Ebene.

In seinen Schriften, in denen Kim Il-sung die Juche-Ideologie begründet, erklärt er seine Motive für die Schaffung dieser damit, dass jede Revolution und die erfolgreiche Aufrechterhaltung der Errungenschaften durch die Revolution stets auf selbstständigen und schöpferischen Handlungen beruht und erfolgreich sein kann. Geben die revolutionären Kräfte das Zepter aus der Hand und entfernen sich von der Selbst­be­stimmung, scheitert die Revolution und die alten Verhältnisse treten nach und nach wieder in Kraft. Dies beinhaltete für Kim Il-Sung auch die Fremdeinwirkung von verbündeten Kommunisten, weshalb er auch bei China und der Sowjetunion keine Ausnahme gemacht hat. Wenngleich er sich mit den Weltanschauungen der Sowjetunion in der Stalin-Ära ganz gut identifizieren konnte, da diese eine ähnliche, wenn auch anders motivierte, Richtung einschlug. Mit dem Tod Stalins und der darauf folgenden Entstalinisierung in der UdSSR wandte sich Kim Il-sung mit der Zeit vollständig von ihr ab. Für ihn gab es nur noch die in vielen Jahren eigens entwickelte Juche-Ideologie und die unbedingte Durchsetzung und Aufrechterhaltung der darin begründeten Ziele.

Die Manifestation der Juche-Ideologie als Nachfolger des klassischen Marxismus-Leninismus äußerste sich am deutlichsten im Jahre 1977, als aus der Verfassung der Volksrepublik Korea der Marxismus-Leninismus gestrichen und namentlich durch die Juche-Ideologie ersetzt wurde. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich Nordkorea nicht nur vom Rest der Welt isoliert, sondern auch deutliche Distanz zur Volks­re­pub­lik China und der Sowjetunion genommen, was eine Rückkehr aus den Grundsätzen der Juche-Ideologie und eine weltoffenere Politik nur noch unmöglicher machte. Die Isolation Nordkoreas und der fortwährende Alleingang in der Behauptung gegen die ganze Welt war nun endgültig abgeschlossen und hätte nur noch mit großen Zugeständnissen rückgängig gemacht werden können. Doch Zweifel gab es bei Kim Il-sung ohnehin nicht. Für ihn war die Juche-Ideologie überhaupt die einzige Möglichkeit für eine Weiterentwicklung der Gesellschaft und zur bedingungslosen Souveränität.

Wohlstand und die persönliche Freiheit des Individuums kamen in der Umsetzung der Juche-Ideologie stets an zweiter Stelle. Neben der höchsten Priorität Unabhängigkeit der Nation vertritt die Juche-Ideologie außerdem auch das Leitmotiv, dass die Massen dem Einzelnen gegenüber immer Vorrang haben. Das ebenso auch im Kommunismus außerhalb der Juche-Ideologie vertretene Prinzip bedeutet nichts anderes, als dass die Freiheit, das Wohlbefinden oder gar das Leben eines Einzelnen, stets den Interessen der Allgemeinheit zu weichen haben. Was in der Theorie durchaus auch zu einer demokratischen Gesellschaft führen könnte, führte in Nordkorea unweigerlich in die Dik­ta­tur. Denn obwohl die Juche-Ideologie nichts sehnlicher heraufbeschwört als die Selbstbestimmung des Staates und damit des Volkes, sieht die Realität in Nordkorea ganz anders aus. Das, was vermieden werden sollte, ist der Fall. Auch wenn die Fremdbestimmung aus dem eigenen Volke heraus geht, so wurde auch hier die Unterwerfung durch Invasoren für die Unterwerfung einer kommunistischen Dy­nas­tie eingetauscht. Nicht zuletzt auf Weisung und Antrieb des Begründers der Juche-Ideologie, Kim Il-sung selbst.

Internationale Rolle der Juche-Ideologie

Obwohl sich die Juche-Ideologie allem voran den Bedürfnissen und Umständen der besonderen Situation Nordkoreas widmete und mit Nordkorea als Hauptbeweggrund von Kim Il-sung entwickelt wurde, gelang es ihr dennoch auch auf weltweiter Ebene Anhänger zu finden. Vor allem der Zeitraum zwischen den 1970er und 1980er Jahren verschaffte der Juche-Ideologie in einigen Ländern viele Freunde und Sym­pathisanten. Dabei handelte es sich insbesondere um Länder in Lateinamerika, Asien und Afrika, in denen viele sogenannte „Juche-Ideologie-Studiengruppen“ entstanden. Was sich Nordkorea propagandistisch auch zunutze machte, indem es solche Gruppen reichlich mit Schriften und Studienmaterialien von Kim Il-sungs Werken versorgte und die Initiatoren solcher Gruppen auch gerne in den nord­ko­re­a­nisch­en Medien brachte. Grund für die anwachsenden Sympathien für die Juche-Ideologie zu dieser Zeit, war vor allem die Enttäuschung über den Verlauf des Kalten Krieges und die immer opportunistischere Rolle der Sowjetunion in linken beziehungsweise kom­mu­nis­tisch­en Kreisen oder bei solchen, die sich dieser Art von Weltanschauung verbunden fühlten. Die Vorstellung von einer nationalen Alternative zur sowjetischen Richtung schien immer mehr Menschen mit einem Hang zum Kommunismus zu beflügeln und Nordkorea mit neuen Augen zu sehen. Die Sympathien beschränkten sich dabei bei Weitem nicht nur auf vereinzelten Studentengruppen, sondern reichten auch bis zu einigen afrikanischen Staatsoberhäuptern, die die Juche-Ideologie entweder persönlich vertraten oder bei Besuchen in Nordkorea zu­min­dest positiv darüber sprachen. Die Krönung dieses internationalen Erfolges zeichnete sich in dem, im September 1976 initiierten „In­ter­na­ti­onalen Wissenschaftlichen Seminar der Juche-Ideologie“ aus, das vom damals amtierenden Präsidenten Madagaskars ins Leben ge­ru­fen wurde. Auch in Japan zollten Anhänger der Juche-Ideologie mit der Gründung des IIJI („International Institute of the Juche Idea“) im Jahre 1978 ihre Anerkennung und Bewunderung des nordkoreanischen Modells des Kommunismus ihre Anerkennung.

Die Begeisterung für die Juche-Ideologie schwand auf internationaler Ebene jedoch genau so schnell, wie sie aufgeflammt war. Die Ver­än­derungen der weltpolitischen Lage, so wie der Zusammenbruch der Sowjetunion, brachten viele Anhänger dazu zu resignieren oder sich nach Alternativen, die weit ab von diesen Vorstellungen liegen, umzusehen. Außerhalb Nordkoreas hat die Juche-Ideologie heute kaum noch Bedeutung. Zwar existieren weiterhin auf dem Erdball verstreut vereinzelte Gruppen, die die Juche-Ideologie vertreten, doch sind die Anhängerzahlen deutlich gesunken und finden kaum noch Erwähnung.

Die Juche-Ideologie heute

Noch nach Kim Il-sungs Tod spielte die Juche-Ideologie in Nordkorea eine übergeordnete Rolle und wurde von seinen Nachfolgern weiter­hin propagiert. An Schulen und Universitäten gehört sie auch heute noch zum unverzichtbaren Studienmaterial. Dennoch verlor sie mit den Nachfolgern Kim Il-sungs in der Praxis immer mehr an Gewicht und musste den neuen Bedrohungen, von denen sich Nordkorea um­ge­ben sah, als oberste Priorität weichen. So trat mit dem Amtsantritt von Kim Il-sungs Sohn, Kim Jong-il, die Son’gun-Politik in den absoluten Vordergrund und wurde zum festen Bestandteil der Staatspolitik Nordkoreas. „Son’gun“, was im Koreanischen in etwa „Die Armee zuerst“ bedeutet, richtet sein Augenmerk vor allem auf die ständige Aufrüstung und Militarisierung des Landes. So wird die Bedrohung durch den Westen, allem voran den Vereinigten Staaten, als höchste Priorität gegenüber allen anderen ideologischen Ansätzen, einschließlich der Juche-Ideologie, erachtet. Diese Entwicklung manifestierte sich auf ähnliche Weise, wie es die Juche-Ideologie 1977 bereits tat, im Jahre 2009, als an erster Stelle der Verfassung der Volksrepublik Korea die Son’gun-Politik der Juche-Ideologie vorangestellt wurde.

Die ideologische Tragweite dieser Entwicklung versetzt Nordkorea in eine noch schwieriger umkehrbare Lage auf der inner- wie auch au­ßer­po­litischen Bühne. Eine unbedingte Aufrüstung für den Verteidigungsfall gegen die Westmächte USA, Japan und Südkorea als dik­ta­to­risch umgesetzte Notwendigkeit der Innen- und Außenpolitik lässt den Westen und die internationale Staatengemeinschaft mehr als nur aufhorchen. Da Nordkorea für den Westen dadurch ein deutliches Sicherheitsrisiko darstellt, da es vor allem auch bald im Besitz von Atom­waffen sein könnte, sind die internationalen Reaktionen auf Nordkorea mehr als nur deutlich. Was wiederum eine noch unüberwindbarere Isolation des Landes von der restlichen Welt nach sich zieht. Für die Bevölkerung Nordkoreas bedeutet das vor allem aber auch eine ab­so­lu­te Militärdiktatur, aus der es wieder auszusteigen ohne Weiteres auch nicht mehr so einfach sein dürfte.

Die Zweckmäßigkeit der Juche-Ideologie mag in den von Kim Il-sung aufgestellten Thesen durchaus ihre Begründung haben und his­to­risch gesehen mag sie auch das einzige Mittel gewesen sein, das dem vom Weltenbrand geschändeten Nordkorea die langersehnte und hartumkämpfte Unabhängigkeit von Fremdbestimmung verleihen konnte. Doch die Praxis sah in der Realität ganz anders aus und zwang das Land in eine über Dekaden währende Diktatur, die bis heute noch kein Ende finden konnte. Die Herrscher waren nun zwar keine Frem­den mehr, von der Selbstbestimmung des Volkes war man jedoch weiterhin genau so weit entfernt wie zu Zeiten des großen Be­frei­ungs­krieges und des revolutionären Umbruchs. Und es war nicht zuletzt auch Kim Il-sung selbst, der seiner eigenen Ideologie die größten Steine in den Weg legte und Nordkorea in eine unüberwindbare Sackgasse führte.